BFE-Forschung: Wie Schweizer Fachhochschulen, Hochschulen und Universitäten die Batterie neu erfinden

Batterien und andere elektrochemische Speicher spielen beim Übergang zu einer nachhaltigen Energieversorgung eine zentrale Rolle. Der Siegeszug der Lithium-Ionen-Batterie seit der Jahrtausendwende schafft dafür eine gute Grundlage. Doch die Batterieforschung arbeitet mit grosser Dynamik weiter, nicht nur international, sondern auch an Schweizer Fachhochschulen, Hochschulen und Universitäten. Ein zentrales Ziel von Forschung und Entwicklung besteht darin, Kapazität und Ladegeschwindigkeit elektrochemischer Speicher weiter zu steigern.

Die Dekarbonisierung des Schweizer Energiesystems wird sich in den kommenden Jahren und Jahrzehnten massgeblich auf der Strasse abspielen. Gut 70‘000 batterieelektrische Personenwagen sind zur Zeit in der Schweiz unterwegs, rund 1.5 % des Fahrzeugbestands. Bis im Jahr 2050 wird die Zahl auf 3.6 Millionen steigen, wenn die Erwartungen der ‹Energieperspektiven 2050+› des Bundesamts für Energie Wirklichkeit werden. Damit der Übergang von fossilen zu elektrischen Antrieben gelingt, müssen unter anderem leistungsfähige Batterien zur Verfügung stehen.

Auch für die Stromversorgung

Auch im Bereich der Stromversorgung sind Batterien von essenzieller Bedeutung. Solar- und Windstrom können nur bei den entsprechenden Wetterverhältnissen produziert werden. Da die Bedarfsspitzen aber nicht zur gleichen Zeit auftreten, braucht es Speicher, die den Strom aufnehmen, bis er gebraucht wird. Batterien sind dafür ein wichtiges Instrument. In der Schweiz soll die Solarstrom-Produktion bis 2050 mindestens verzehnfacht werden. Schon heute nutzen viele Betreiber von Photovoltaik (PV)-Anlagen einen Batteriespeicher, um möglichst viel Solarstrom selber verbrauchen zu können. Langfristig dürften nach Expertenschätzung rund 70 % der PV-Anlagen mit Batteriespeichern kombiniert werden.

Schweiz mischt in der Batterieforschung vorne mit

Batterien und andere elektrochemische Speicher sind eine Schlüsseltechnologie zum Umbau des Energiesystems in Richtung Nachhaltigkeit. Die Europäische Union (EU) hat 2017 die ‹Europäische Batterie-Allianz› ins Leben gerufen. Die EU-Kommission bewilligte Ende 2019 und Anfang 2021 insgesamt rund 6 Mrd. Euro an staatlichen Beihilfen von Mitgliedsländern. Die Beihilfen sollen private Investitionen im Umfang von 14 Mrd. Euro auslösen, um zusammen in Europa eine eigenständige Batterieproduktion aufzubauen. «Bis 2025 werden unsere Massnahmen im Rahmen der Europäischen Batterie-Allianz zu einer Industrie führen, die stark genug ist, um jährlich mindestens sechs Millionen Elektroautos auszustatten», sagte Maroš Šefčovič, Vizepräsident der EU-Kommission, bei der Lancierung des Programms.

Innovationsplattform iBAT

In der Schweiz haben sich im Februar 2020 Forschungseinrichtungen und Industrieunternehmen zur Innovationsplattform iBAT zusammengeschlossen. «Dank interdisziplinärer Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Industrie soll die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz in dieser Kerntechnologie weiter gestärkt werden», sagt Prof. Dr. Andrea Vezzini, Leiter des Zentrums Energiespeicherung an der Berner Fachhochschule und iBAT-Präsident. Die Schweiz sei zwar kein grosser Batteriehersteller, habe in der Forschung und als Zulieferer von Halbfabrikaten und Maschinen aber eine Spitzenstellung, betont Vezzini.

Lithium-Ionen-Akkus schneller laden

Ein Teil der Schweizer Forschungsaktivitäten zielt auf eine Verbesserung des Lithium-Ionen-Akkumulators. Diese wiederaufladbare Batterie war in den später 1970er Jahren erfunden worden und kam in den 1990er Jahren in den kommerziellen Gebrauch. Heute ist der Lithium-Ionen-Akku neben dem Bleiakku der wichtigste Akkumulator. Er kommt in Elektroautos, Mobiltelefonen und vielen weiteren Elektrogeräten zum Einsatz. Zentral für die Funktionsweise der Batterie sind die namensgebenden Lithium-Ionen: Die positiven Ladungsträger bewegen sich beim Laden des Akkus von der positiven zur negativen Elektrode (und beim Entladen in die Gegenrichtung).

Ladezeit von 25 auf 15 Minuten verkürzen

«Wir haben die negative Elektrode verbessert, um den Ladevorgang dieser Akkus zu beschleunigen», sagt Dr. Max Kory, Mitgründer des Spin-offs Battrion (Dübendorf), das 2015 aus der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich hervorging. Die negative Elektrode heutiger Lithium-Ionen-Akkus besteht aus Graphit (Kohlenstoff), in welchen die Lithium-Ionen beim Laden der Batterie eingelagert werden. In jahrelanger Forschungsarbeit hat Battrion ein Verfahren entwickelt, mit dem die einzelnen Kohlenstoffpartikel des Graphit beim Herstellungsprozess der negativen Elektrode so ausgerichtet werden, dass sich die Transportwege für die Lithium-Ionen durch die negative Elektrode vereinfachen. Auf diese Weise könne die Ladezeit z.B. eines Elektroautos für 400 km Reichweite von heute 25 auf 15 Minuten verkürzt werden, sagt Kory. Mit Blick auf die spätere Industrialisierung soll die Technologie nun in einem nächsten Schritt ihre Vorzüge in E-Auto-Batteriezellen und -Modulen demonstrieren.

Stationäre Netzbatterie auf der Basis von Kochsalz

Ein bisher noch wenig verbreiteter Akku-Typ ist die Natrium-Nickelchlorid-Zelle (mit Bezug auf eine frühere Entwicklung auch ‹ZEBRA-Batterie› genannt). Die Faszination für diesen elektrochemischen Speicher rührt nicht zuletzt daher, dass er auf der Basis von Kochsalz (Natriumchlorid) arbeitet. Alle erforderlichen Rohstoffe sind in ausreichendem Mass vorhanden und günstig verfügbar. Allerdings arbeitet der Akku bei Temperaturen von rund 300 °C und muss daher wärmeisoliert werden. Bisher kommt die wartungsarme Technologie, die auch bei sehr hohen und sehr tiefen Aussentemperaturen verlässlich arbeitet, in Nischenanwendungen wie der Stromversorgung von Telekom-Antennen und Notstromanlagen zum Einsatz. Künftig könnte sie zum Beispiel auch in stationären Netzbatterien dazu dienen, Stromproduktion und -nachfrage auszugleichen. Als Herstellerin hat sich das Tessiner Unternehmen FZSoNick SA in Stabio einen Namen gemacht.

Komponenten des Natrium-Nickelchlorid-Akkus verbessern

Die Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt Empa in Dübendorf hat sich mit Unterstützung des BFE daran gemacht, die verschiedenen Komponenten des Natrium-Nickelchlorid-Akkus zu optimieren. «Zum einen haben wir Batteriezellen mit einer flachen Geometrie entwickelt», sagt Empa-Forscherin Dr. Meike Heinz. «Damit konnten wir zeigen, dass sich die negative Elektrode aus geschmolzenem Natrium-Metall extrem schnell laden und entladen lässt. Auch wenn die positive Elektrode etwas langsamer arbeitet, erreichen flache Zellen hohe Leistungs- und Energiedichten. Zum anderen haben wir beispielsweise die positive Elektrode so weiterentwickelt, dass sie mit weniger Nickel auskommt, was die Herstellungskosten senkt und gleichzeitig die Lebensdauer der Akkus verlängert.» Heutige Natrium-Nickelchlorid-Akkus haben eine röhrenförmige Geometrie, was komplexe Verfahren in der Herstellung sowie beim Zusammenbau und der Qualitätskontrolle der grossen Akkus erfordert. «Die Ergebnisse aus der Forschung liefern wichtige Hinweise für die Weiterentwicklung unserer Akku-Technologie», sagt Andrea Pozzi, Innovations- und Entwicklungsmanager bei FZSoNick. «Auch wenn die Produktion von Flachzellen zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht ausgereift ist, profitieren wir zum Beispiel von den neuen Nickel-reduzierten Elektroden, die wir schon nächstes Jahr in unseren röhrenförmigen Zellen zur Anwendung bringen möchten.»

Stromversorgung des Internet of things

Um die Verbesserung einer bestehenden Speichertechnologie geht es auch bei Swistor, einem BFE-geförderten Pilot- und Demonstrationsprojekt der École polytechnique fédérale de Lausanne (EPFL). Im Zentrum stehen hier sogenannte Superkondensatoren. Sie speichern elektrische Energie zugleich physikalisch und elektrochemisch. Superkondensatoren können wie Akkumulatoren Strom aufnehmen und abgeben – dies sogar besonderes schnell –, können bisher aber relativ wenig Energie aufnehmen. «Wir wollen die Energiedichte der Superkondensatoren erhöhen und sie für neue Anwendungsgebiete heranziehen, beispielsweise um Sensoren mit Strom zu versorgen, wie sie immer öfter in ‹smarten› Anwendungen oder im ‹Internet of things› eingesetzt werden», sagt Dr. Clara Moldovan, die das Swistor-Projekt des ‹Labors für nanoelektrische Geräte› der EPFL leitet.

Kohlenstoff-Nanoröhren

Die Superkondensatoren aus dem EPFL-Labor verwenden Elektroden, die aus röhrenförmigen Gebilden aus Kohlenstoff-Atomen bestehen. Man spricht hier von Kohlenstoff-Nanoröhren (Carbon nanotubes, CNT), weil die Röhren lediglich einen Durchmesser von wenigen Nanometern (Milliardstelmetern) haben. Die Elektroden werden mit elektrochemisch aktiven Materialien beschichtet, womit sich die Energiedichte massgeblich erhöhen lässt. Aus dem dreijährigen BFE-Projekt ist ein Prototyp hervorgegangen, der die Grundlage bildet, um die Technologie zu industrialisieren. Zu diesem Zweck will EPFL-Wissenschaftlerin Moldovan noch in diesem Jahr ein Spin-off gründen.

Batterien richtig einsetzen

In der Entwicklung leistungsfähiger elektrochemischer Stromspeicher steckt viel Pionierarbeit. Für den Übergang zu einer nachhaltigen Energieversorgung zählt aber auch, wie die neuen Speicher in die Stromversorgung eingebunden werden. Mit diesem Thema befasste sich ein von Prof. Michael Höckel geleitetes Forschungsprojekt der Berner Fachhochschule (BFH). Am BFH-Zentrum Energiespeicherung wurde der Frage nachgegangen, wie Betreiber von Solaranlagen ihre zugehörigen Batteriespeicher ‹netzdienlich› einsetzen können, also so, dass die Stromverteilnetze möglichst entlastet werden.

Beitrag zur Netzstabilität

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler kamen bei der Untersuchung eines städtischen, eines vorstädtischen und eines ländlichen Verteilnetzes zur Erkenntnis, dass Batteriespeicher einen massgeblichen Beitrag zur Netzstabilität leisten könnten. Das gelingt, wenn diese Speicher in Zeiten, wo die PV-Produktion den aktuellen Stromverbrauch übersteigt, geladen werden, um den Strom in produktionsschwachen Zeiten wieder abzugeben. Fazit des Projekts: Mit dem Einsatz eines netzdienlichen Algorithmus für den Lastausgleich können Überlastungen der betroffenen Leitungen und Transformatoren deutlich reduziert und in vielen Fällen komplett verhindert werden.

Text: Benedikt Vogel, im Auftrag des Bundesamts für Energie (BFE)